Ein Rückblick auf Manfred H. Grieb

Im 18. Jahrhundert wurde das aus dem Italienischen stammende Wort „Dilettant“ entlehnt und ins Deutsche übernommen. Es geht zurück auf das lateinische Verb „delectari“ und hatte die Bedeutung „sich erfreuen“ oder „sich ergötzen“. Man bezeichnete damit Liebhaber einer Kunst oder einer Wissenschaft, die sich aus Interesse, Vergnügen und Leidenschaft einer bestimmten Sache annahmen. Ohne über eine Fachausbildung zu verfügen, konnten klassische Dilettanten vollendete Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben. Trotz allem Wissen und Können haben sie aber mit der ihnen liebgewonnenen Tätigkeit nicht ihren Lebensunterhalt bestritten, was sie von akademisch Gebildeten unterscheidet. In diesem Sinne war Manfred H. Grieb gemäß der ursprünglichen Bedeutung des Wortes ein wahrer Dilettant.

Im Lebensweg des am 6. Februar 1933 in Würzburg Geborenen deutete zunächst kaum etwas auf eine derartige Berufung hin. Nach einer Ausbildung als Kaufmann bildete sich Grieb durch ein Sprachstudium fort. Dank dieser Qualifikation war er achtzehn Jahre lang in Deutschland und Südamerika für die Firma Staedtler tätig, einen der ältesten Hersteller von Schreibgeräten in Nürnberg. Schon im Alter von 36 Jahren machte sich Grieb selbständig und gründete die „karten-vitrine“ mit Druckerei zur Herstellung und zum Vertrieb von Briefpapieren, Karten und Geschenkartikeln. Mehr als zwanzig Jahre danach veräußerte er die kleine Ladenkette und betätige sich als Galerist für fränkische Bilder, nachdem er schon zuvor mit dem Sammeln von Nürnberger Stadtansichten begonnen hatte.

Der gebürtige Würzburger hatte Freude an der Malerei des 19. Jahrhunderts gefunden, und er begeisterte sich für Nürnberg Sujets, insbesondere für Gemälde der Künstlerfamilie Ritter. Dabei ließ er es aber nicht beruhen, sondern er strebte etwas groß Dimensioniertes an. Manfred H. Grieb hatte sich in den Kopf gesetzt, ein Künstlerlexikon zu erstellen. Systematisch machte er sich an die Vorarbeit. In diesem Zuge begleitete er 2002 die Herausgabe eines Nachdrucks von Johann Ferdinand Roths Verzeichnis aller Genannten des größern Rats zu Nürnberg (1802). Allein ihm ist zu verdanken, dass die wertvollen Quellenrecherchen der beiden Historiker Dr. Lore Sporhan-Krempel (1908-1994) und Dr. Theodor Wohnhaas (1922-2009) zur Geschichte des Nürnberger Buchdrucks nicht verloren gingen. Er barg die Karteikästen und machte sich alleine an die Erfassung, Zusammenstellung und Auswertung. Es entstand der voluminöse Band zum „Nürnberger Buchgewerbe. Buch- und Zeitungsdrucker, Verleger und Druckhändler vom 16. bis zum 18. Jahrhundert“ (2003). In gleicher Weise nahm er sich der ähnlich erschöpfenden Forschungen des Juristen Friedrich von Hagen († 2005) an, der eine Sammlung von Quellenauszügen zum Strafvollzug in der Reichsstadt Nürnberg hinterlassen hatte. So konnte Manfred H. Grieb eine weitere monumentale Edition unter dem etwas plakativen Titel „Die Henker von Nürnberg und ihre Opfer“ vorlegen (2010). Dabei vernachlässigte Grieb keineswegs die Arbeit an seinem opus magnum. Während andere längst an den Ruhestand dachten, entschwand Grieb immer wieder in den Keller seines Hauses, wo er mit erstaunlicher Ausdauer recherchierte, sammelte und bündelte. Nach entbehrungsreicher, jahrzehntelanger Arbeit konnte der mittlerweile 74jährige das vierbändige „Nürnberger Künstlerlexikon“ über Bildende Künstler, Kunsthandwerker, Gelehrte, Sammler, Kulturschaffende und Mäzene vom 12. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts vorlegen (2007). Das Werk hat einen Umfang von mehr als 2000 Seiten. Der mäzenatisch Denkende schuf noch die materielle Grundlage, damit die von ihm angelegte Datenbank im Stadtarchiv Nürnberg weitergeführt werden kann. Leider findet bis heute diese herausragende Leistung vonseiten der Stadt zu wenig Anerkennung.

Dank dieser fachlichen Expertise begleitete Grieb immer kritischer die Entwicklung der Nürnberger Museumslandschaft, in der er einige Defizite ausmachte. Er kritisierte die fehlende Visualisierung der für die Reichsstadt und die aufblühende Industriestadt typischen Handwerkskunst. Denn gerade diese hatte aufgrund ihrer Vielseitigkeit und hohen Qualität Nürnberg so berühmt gemacht. Motiviert durch den Kontakt mit Norica-Sammlern unterschiedlichster Richtungen, und damit auch potentieller Leihgeber, trat er schließlich an die Öffentlichkeit. Als erfolgreicher Unternehmer entwickelte Grieb die Idee eines Kunsthistorischen Museums, wofür er die Unterstützung der Stadt Nürnberg suchte. Er plante eine große dimensionierte Einrichtung, in der wechselweise aus den Depots der städtischen Museen und des Germanischen Nationalmuseums unbekannte Objekte gezeigt sowie Sonder- und Wanderausstellungen präsentiert werden sollten. Die Resonanz in den kritisierten Institutionen war verhalten, doch konnte Grieb einen immer größer werdenden Kreis an Interessierten und Freunden gewinnen.

Schließlich lud er am 24. Januar 2009 zur Gründung eines Fördervereins für ein Kunsthistorisches Museum ein. Dabei skizzierte er seine Vorstellungen und setzte sich vehement für die Gründung einer neuen musealen Einrichtung ein. Die folgende, weitgehend einhellige Diskussion führte zu einer kleinen Umwidmung des Konzepts und einer thematischen Öffnung. Die Versammlung begrüßte das Vorhaben und rief den „Förderverein Kulturhistorisches Museum Nürnberg e.V.“ ins Leben. Satzungsgemäß wurde als Zweck definiert: „Erhaltung, Förderung und Verbreitung des Wissens über Nürnberger Kunst und Kunsthandwerk, sowie Kunst- und Kulturgeschichte seit dem späten Mittelalter“ (§ 2). Dieses Ziel sollte u.a. durch Unterstützung von Forschungen, durch Vorträge und die Förderung von Ausstellungen, durch Aufbau einer eigenen Sammlung und durch Zuwendung zum Ankauf von Objekten Nürnberger Provenienz angestrebt werden. Wiederum ganz selbstlos steuerte Manfred H. Grieb den finanziellen Grundstock zum Vereinsvermögen bei. Dass die Mitgliederzahl des Fördervereins sukzessive angewachsen ist, bestärkte den Initiator und Ersten Vorsitzenden.

Überraschend ist Manfred H. Grieb am 20. Februar 2012 im Alter von 79 Jahren an den Folgen einer Operation verstorben. Die Beisetzung fand auf dem Friedhof von St. Johannis statt, wo sich der Mäzen mit der plastischen Wiedergabe seines Lebenswerks, des Künstler-Lexikons, selbst ein Denkmal gesetzt hatte. Der Förderverein Kulturhistorisches Museum Nürnberg e.V. geht einzig und allein auf den engagierten Wahl-Nürnberger zurück. Ihm wie seinem Verein lag und liegt die Erinnerung an eine große Tradition sehr am Herzen. Dieses Vermächtnis zu erfüllen, ist Verpflichtung der Nachfolgenden.

Prof. Dr. Peter Fleischmann

Manfred Grieb, Ölgemälde von Jo Niklaus, 2001
Manfred Grieb, Ölgemälde von Jo Niklaus, 2001

Vereinsgründer Manfred Grieb während seiner Ansprache zur Gründungsversammlung am 24. Januar 2009 im Museum für Kommunikation in der Lessingstraße; Foto: Gerhard Neukam
Vereinsgründer Manfred Grieb während seiner Ansprache zur Gründungsversammlung am 24. Januar 2009 im Museum für Kommunikation in der Lessingstraße; Foto: Gerhard Neukam
Gesellige Runde an der Gründungsversammlung am 24. Januar 2009 im Museum für Kommunikation in der Lessingstraße; Foto: Gerhard Neukam
Gesellige Runde an der Gründungsversammlung am 24. Januar 2009 im Museum für Kommunikation in der Lessingstraße; Foto: Gerhard Neukam